Wer glaubt, dass Männer wenig reden …

Wer meint, dass Männer weniger sagen als Frauen, sollte mal das Gelände eines Wassersportvereins betreten und harmlos darum bitten, einen Zettel mit dem Hinweis, das man ein Boot sucht, an das scharze Brett hängen zu dürfen. Irgendeiner wird kommen, das Tor öffnen und  einen zum Vereinshaus begleiten. Auf dem Weg dorthin fragt man kommunikations- und interessehalber, ob es hier Liegeplätze gibt und wie teuer die seien.  Wer an dieser Stellen glaubt, das Gelände schnell wieder verlassen zu können, hat sich in der Adresse geirrt. Üblicherweise lautet die Antwort:  “Da muss ich mal eben Uwe (fiktiver Name) holen. Kommt mal mit!”
Und ab geht es über das Gelände.
“Weißt du wo Uwe ist? Die suchen ein Boot und einen Liegeplatz.”, wird ein Vereinskamerad angesprochen.
“Hinten oder in der Werkstatt”
Dabei wird den Neuankömmlingen freundlich und interessiert zugenickt.
Allmählich vergrößert sich der Geprächskreis. Der zweite Vereinsvorsitzende erscheint.
“Ich bin Uwe.  Setzen wir uns mal in die Sonne.”
Man setzt sich auf Stühle, Böcke und auf die gummibelegte Kante des Slipwagens. Ein älteres Paar sitzt dort und guckt freundlich rüber. Es kann nicht mehr lange dauern, bis es in das Gespräch eingebezogen wird.
“Das sind Heinz und Martina. Die sind schon vierzig Jahre dabei.”
So schnell geht das. Ein sehr freundliches einander Zunicken folgt. Es wird gemütlich. Die Sonne scheint. Ein Ausflugsdampfer fährt vorbei. Auf einem Pfahl im Wasser sitzt ein Graureiher. Das Wasser, das Licht, alles ist sehr angenehm.
Im Laufe der nächsten eineinhalb Stunden erfährt man allerhand. Die Frauen versammeln sich gelegentlich zum ‘Messingputzen’. Die Frau eines Vereinskameraden bringt Sekt mit. Viermal im Jahr finden Vereinsversammlungen statt. Da wird viel geredet und zerredet, so ist Demokratie nun mal. Es gibt Dienste, die man leisten muss, nichts Schlimmes. Man harkt das Gelände, beschneidet Bäume und macht sich irgendwie nützlich.
Der Rundgang über das Gelände beginnt beim Liegeplatz am Wasser, führt durch die gut ausgestattete Werkstatt mit Drehbank,  durch Dusch-, Umkleide- und WC-Räume, die Seglerküche und endet in der Kantine, die mit viel gediegener Holzarbeit, Tampen und Messing ein sehr kitschig maritimes Ambiente vermittelt. An der Wand hängt das Schwert eines  Schwertfischs. Ein Zahnarzt hat ihm einen fehlenden Zahn durch einen Goldzahn ersetzt.  Die hölzernen Tischplatten wurden künstlerisch bearbeitet. Mit einem Lötkolben wurden Karten eingebrannt und einige Stellen dunkler gebeizt. Jeder Tisch wurde so zu einer Gewässerkarte und repräsentiert ein naheliegendes Revier.
“Alle Teile hier haben ihre eigene Geschichte.”, heißt es, “Die werdet ihr alle noch erfahren.”
Die Leute sind extrem nett. Wer in kürzester Zeit ein neues soziales Umfeld aufbauen möchte, hat es hier leicht, sofern man nicht aneckt.  Schweigende Männer findet man hier selten. Der Mythos vom schweigenden bedächtigen Seebär erweist sich als Trugbild. Jeder will seine Story loswerden und davon gibt es viele.

Allmählich wird klar, warum viele Vereinskollegen kleine Lauben auf dem Gelände haben.  Der Gang über die schmalen Stege zum Boot ist nach den feuchtfröhlichen Sitzung gefährlich und das bierbedingte mehrmalige Raus- und Reinschlüpfen in die Bootskabinen zwecks Erleichterung sicherlich eine Tortur. Autofahren ist dann zweifellos nicht mehr möglich. So bleibt nur die Laube und endlich ahnt man, warum einige von ihnen sehr klein sind. Sie müssen nur ein Bett enthalten, einen kleinen Schrank, eine Kaffeezubereitungsmöglichkeit und ein Klo. Mehr braucht man nicht, um dem Vereinsleben stand zu halten.

Gerne würde man  beim Abschied die Frage stellen, wieviele Mitglieder im Verein noch zum Bootsfahren kommen, doch könnte dies den freundlichen Abschied verderben. Mit dem Antrag auf eine Vereinsmitgliedschaft zieht man davon und hat beim Nachhausekommen bereits weitere Infos im Email-Postfach.

 

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