Das Boot lag an einer windgeschützten Stelle auf dem Tegeler See vor Anker. Der Skipper hatte es sich zum Lesen in der Plicht bequem gemacht. Die Kekse waren in Griffweite, ebenso das Mineralwasser. Die Sonne schien durch eine diffuse Bewölkung. Sollte es zu warm werden, konnte jederzeit ein kühlendes Bad genommen werden. Gelegentlich fuhren Paddler vorbei oder Ausflugsdampfer und einige Motorboote. Sie waren willkommene Unterbrechungen beim Lesen eines trockenen juristischen Schriftsatzes.
Von Backbord kam knatternd etwas Motorisiertes an. Darauf saß ein Paar mit einem Kind. Ihr Fahrzeug bestand aus zwei alten Surfbrettern, auf die jeweils eine Aluminiumleiter liegend befestigt war. Darauf war eine rechteckige Plattform montiert nebst einem Holzbrett, an dem ein Außenbordmotor hing. Zwei wasserdichte Transportkisten dienten als Stauraum und Sitzgelegenheit. Der zwei PS Motor lief hochtourig, um dieses selbstgebastelte Floß voranzutreiben. Man musste es der Besatzung lassen; sie war ideenreich und hatte sich ein günstiges schwimmendes Fahrzeug konstruiert, das die drei Personen gut trug. Während es vorbeifuhr, erschein kein anderes Motorboot, das Wellen erzeugte, um zu klären, ob die nur wenige Zentimeter über der Wasseroberfläche befindliche Plattform trocken geblieben wäre. Ein leiser Elektromotor hätte besser gepasst, denn das Floß machte nicht den Eindruck, für längere Fahrten eingesetzt zu werden. Sicherlich gehörte es zu einer Wochenendhütte auf einer nahen Insel und diente als mobile Badeplattform.
Mitten im Schriftsatz machte sich eine neue Geräuschkulisse bemerkbar. Aus der Ferne klang ein penetrantes “Bumm bumm bumm bumm” rüber. Es wurde begleitet von elektronischen Klängen. Minuten vergingen; langsam kam es näher. Was war los?
Vom südlichen Ende des Tegeler Sees bei den Marinas im Saatwinkel näherte sich langsam ein Hausboot. Auf seinem Dach war eine Gruppe Menschen auszumachen. Das Boot fuhr in den Tegeler See hinein. Der lesende Mann war unentschlossen, ob das Partyboot störte oder als interessante Unterbrechung zu betrachten war. Um Letzteren mehr Gewicht zu verleihen, zog er zwei Ohrenstöpsel aus seiner Fototasche, welche die immer lauter werdende Musik und johlenden Schreie der jungen Leuten auf dem Dach des Hausbootes dämpften. Einige bewegten sich mit hochgereckten Armen zum Rhythmus der Klänge. Auf dem Dach waren 25 Leute. Auf der Plattform darunter saß ein Mann am Steuer. Neben ihm plauderte eine junge Frau mit einem Mann und im Inneren des Hausbootes waren weitere Personen zu sehen.
Sensibilisiert durch das Lesen seines anwaltlichen Schriftsatzes, stellte sich der Mann auf dem ankernden Boot die Frage, wie die Rechtslage bei dem vorbeiziehenden Boot war.
Es gab keine erkennbaren Anzeichen, dass es sich bei dem Hausboot um ein Fahrgastschiff handelte. Fahrzeuge, die zur Beförderung von Fahrgästen gebaut oder eingerichtet sind, werden in unterschiedliche Typen eingeteilt. Der sichtbare Verwendungszweck dieses Hausbootes passte am besten zur Definition:”Tagesausflugschiff – Fahrgastschiff ohne Kabinen für die Übernachtung von Fahrgästen”.
Das Boot war schätzungsweise knapp 15 m lang und gehörte eindeutig zu den Kleinfahrzeugen. Wie hieß es damals in der Vorbereitung zum Sportbootführerschein? War ein solches für mehr als 12 Fahrgäste zugelassen, musste es an gut sichtbarer Stelle einen gelben Doppelkegel führen. Gab es diese Zulassung nicht, war das Hausboot ein Sportboot, dass nicht mehr als 12 Personen an Bord haben durfte. War das richtig und galt noch? Immerhin gab es in Berlin eine Auseinandersetzung zwischen den Reedereien der Fahrgastschiffe und einem Zusammenschluss von Sportbooteigenern (Bunte Flotte), die ihre Boote vercharterten ohne die sonst üblichen Bedingungen und Auflagen für Fahrgastschiffe und ihr Personal gänzlich zu erfüllen. Die Angelegenheit war noch nicht entschieden.
Später rief der Skipper bei der Wasserschutzpolizei in Spandau an, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. Ein freundlicher Polizist meinte, dass unter bestimmten Umständen auch auf Sportbooten, die als solche genutzt wurden, mehr als 12 Personen fahren durften. Doch die Klärung war kompliziert. Sie hing davon ab, ob man auf Bundes- oder Landesgewässern fuhr und von anderen Sachverhalten. Auf jeden Fall galt nicht zwingend, dass die maximale Anzahl der Personen auf fahrenden Sportbooten auf 12 begrenzt war. Das musste im Einzelfall geprüft werden. Wer das machte, fragte der Skipper. Der Polizist lachte und erklärte, dass es mehrere Behörden gab. Egal wen man ansprach, letztlich landete alles für den Gewässerabschnitt auf seiner Wache mit der Aufforderung: “Schaut mal nach!”
Haha, gerne mehr Berichte über skurrile Boote auf dem Wasser.
Ich bin neulich im Urlaub ein Hausboot (fahrende Gartenhütte, bunbo) mit gut 45qm Grundfläche gefahren.. Fahrspaß kommt da nicht auf, aber zum Feiern ist es super 🙂
Dieses Sch***teil! Die windgeschützt Stelle wird auch dieses Jahr wieder Lindwerder sein. Zum Glück sind wir gut mit der WSP. Ein Anruf und nach 10 Minuten wird das Teil abgeschleppt. Wie immer???
Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Boote. Gut zu wissen, dass man auf einem Boot auch gut feiern kann. Wir wollen eine Firmenfeier auf einem Boot machen.