Disput – "Du mußt eine Flagge führen!"

Es war eine gemütliche Fahrt über den Wannsee. Der Wind hatte sich gelegt und die Havel zeigte sich fast wellenlos. Wir ankerten bei der Pfaueninsel um  zu baden. Dort war das Wasser stellenweise so flach, dass erwachsene Leute mit dem Kopf über Wasser auf dem Grund stehen konnten. Wegen des nahezu geschlossenen Muschelbewuchses sollte man vorsichtig sein oder gleich Badelatschen tragen, um sich nicht an den scharfkantigen Muschelrändern zu schneiden.

Um uns herum lagen diverse andere Boote vor Anker. Einer aus der Crew, ein Segler, legte mir mehrfach nahe, dass ich die Deutsche Flagge am Heck führen sollte und zusätzlich die Berliner. Das Thema bewegte ihn an diesem schönen sonnigen Tag. Eine Berliner Flagge nebst Flaggenstock befand sich an Bord, doch kamen die nie zum Einsatz. Zudem war auch keine Deutsche Flagge an Bord. Die Boote um uns herum fuhren mit oder ohne wehenden Fahnen, ganz nach Gusto der Skipper oder den jeweiligen Vereinsvorschriften. Gelegentlich sah man mal ein Motorboot aus den Niederlanden – erkennbar an seinen Flaggen.

Das Binnenwasserrevier in und um Berlin ist weit vom nächsten Seehafen oder dem Bodensee entfernt. Gemäß den Vorschriften kann auf Binnenschifffahrtsstraßen die Nationale Flagge gezeigt werden, muss aber nicht. An der Küste oder bei Fahrten in ausländischen Gewässern ist das anders.

Deutsche Flagge am Heck
Deutsche Flagge am Heck

Es ging unserem Besatzungsmitglied um die Frage des Stils. Auf dem Meer, so erfuhren wir, könne man beim Begegnen eines Deutschen Kriegsschiffes die eigene Flagge als Gruß dippen, worauf mit einem ebensolchen Vorgang auf dem anderen Schiff geantwortet werden muss. Kriegsschiffe? Die gab es hier nicht.

Man könnte solche Mätzchen mal mit der hiesigen Wasserschutzpolizei ausprobieren, dachte ich.  “Kommen Sie längsseits. Was war denn das gerade eben? Zeigen Sie mal Ihre Papiere!”, wäre vermutlich die Reaktion auf die verdächtige Anbiederei, um nach der Klärung des Vorfalls und einer gegenseitigen Beschnupperung nach lokaler Sitte mit Worten wie,  “Na, ick sehe, Sie ham et jut jemeint. Passen se mal uff, dat se nich …. . Jute Fahrt.” ,  zur Weiterfahrt entlassen worden zu sein. Vielleicht wäre man dann um eine Broschüre über die Wassersportvorschriften reicher und um 20 € Verwarnungsgeld für irgendwas ärmer geworden. Lieber nicht ausprobieren, beschloss ich.

Zur Sicherheit rief ich ein paar Tage später bei der Wasserschutzpolizei WSP Mitte in Berlin an, um nachzufragen, ob Dienstfahrzeuge auf Binnengewässern auf das Dippen der Nationalen Flagge auf Sportbooten reagieren müssen. Die freundliche und gemütliche Antwort war eindeutig: “Davon habe ick noch nüscht jehört. Wir schwenken mal die rot-weisse Flagge wenn  Wellenschlag vermieden werden muss, um die anderen zu warnen.”

Die zweite Anregung auf dieser Fahrt begann mit einer Analyse der an Bord vorhandenen Ankertechnik. Die relativ kurze verzinkte Ankerkette erregte besorgtes Mißfallen. Die Geschichte über ein sich bewegendes Boot bei Nacht, das erst mit Hilfe einer fünf Meter langen Kette aus Nirostastahl am Anker wirklich sicher am Liegeplatz verblieb und über den Kauf eben jener Kette, die der Verkäufer dem Käufer zum Transport kunstvoll wie gekreuzte Patronengurte um den Körper gewickelt hatte, hinterließ einen anderen Eindruck. Der Hinweis hatte etwas und Bootsbesitzer kaufen sich sehr gerne mal etwas Neues für ihr schwimmendes Fahrzeug. Eine nichtrostende Ankerkette, ob sinnvoll oder nicht, war verlockend. Mein Verstand, der mit dem Hinweis auf den zweiten, schweren Anker mit Kette an Bord, der gar nicht berücksichtigt worden war, und der Tatsache, dass die sehr erfahrenen langjährigen Vorbesitzer des Boote viele Jahre mit der Ausrüstung sicher geankert hatten, den Haben-wollen-Impuls unterdrücken wollte, konnte sich nicht vollständig durchsetzen. Eine neue nichtrostende Ankerkette musste her. Jedoch erschienen mir fünf Meter für die Havelgewässer, mein Revier, nun doch etwas übertrieben. Der Gedanke an das Hieven der Kette mit Anker per Hand ließ mich an meinen Rücken denken. Daher wurde in einem Forum über Boote eine Diskussion zu dem Thema eröffnet. Was hielten die anderen Spezialisten von der Sache? Drei Meter Kette aus 8mm V4A Rundstahl hergestellt, gerieten zum Konsens und so kam es zu einer Bestellung, die dem Boot eine neue Ankerkette  bescherte.

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