Gefährliche Floßfahrt auf dem Griebnitzkanal

Im Süden Berlins gibt es den Griebnitzkanal, der von mehreren kleineren Seen unterbrochen wird. Auf den schmalen Stellen dazwischen herrscht ein Begegnungsverbot für die Berufsschifffahrt. Auf dieser Strecke sind diverse Fahrgastschiffe zwischen Wannsee und Potsdam unterwegs. An sonnigen Wochenendtagen ist hier einiges los.

Zwischen dem Stölpchensee und dem Griebnitzsee gibt es einen ca. 500 Meter langen, engen gewundenen Kanalabschnitt, der nicht in voller Länge einsehbar ist. Daher gilt hier eine besondere Regelung. Vom Stölpchensee kommend, darf man zur vollen Stunde bis 20 Minuten nach in den Abschnitt Richtung Griebnitzsee einfahren. Ein Beispiel: von 12 bis 12.20 Uhr ist die Einfahrt vom Stölpchensee aus erlaubt. Die Entgegenkommer fahren vom Griebnitzsee zur halben Stunde bis 20 Minuten später in den Kanal ein. Beispielsweise von 13.30 bis 13.50 Uhr. Mit der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 5 km/h dauert die Fahrt 6 Minuten.  Langsamer geht es kaum.

In Reih und Glied ...
In Reih und Glied ... im Griebnitzkanal

 

Sportboote bis 2 Meter Breite sind von dieser Regelung ausgenommen. Die Ruderer der Vereine am nahegelegenen kleinen Wannsee und diverse Paddler sowie kleinere Motorboote machen davon Gebrauch. Die Begegnung mit einem entgegenkommenden breiten Fahrgastschiff ist dort nicht sehr angenehm. Daher halten sich die meisten Sportboote im eigenen Interesse an die Gebote.

Fahrtrichtungsgebote
Fahrtrichtungsgebote

In unweit gelegenen Potsdam gibt es das Unternehmen ‘Huckleberry Tours – Floßstation Potsdam‘. Es verleiht Flöße mit Hütte und Außenborder an Gruppen mit bis zu 8 (!!) Personen. Ein Sportbootführerschein ist nicht nötig. Die Flöße messen 2,6 x 5,5 Meter. Sie werden von Außenbordmotoren mit 5 PS  angetrieben. Ein weiteres Unternehmen, die Royal Marketing Company Potsdam GmbH, bietet unter dem Namen Havelmeer ebenfalls  führerscheinfrei  ‘Abenteuerflöße’ mit den Grundmaßen 3 x 7,25 Meter an.  Beim Buchen eines Havelmeer-Abenteuerfloßes kann man online gleich eine Kiste Becks Bier mitbestellen.

Üblicherweise dürfen Boote mit bis zu 5 PS in Deutschland ohne Sportbootführerschein gefahren werden. In Berlin jedoch wird der Sportbootführerschein unabhängig von der Motorleistung benötigt, sagt die Theorie. Die vielen Mietflöße auf dem Wannsee und im Berliner Bereich der Havel und Spree sprechen eine andere Sprache, wenn man davon ausgeht, dass viele Floßskipper keinen Sportbootführerschein binnen besitzen.

Wer häufig in dem Revier unterwegs ist, begegnet diesen Flößen oft; es sind immer welche unterwegs. Anscheinend werden diese Flöße gerne zu feierlichen Anlässen gemietet. Ein paar Püllchen Bier oder Schampus gehören auf vielen Flößen zur gerne genutzten Ausstattung. Da wird kein Aufhebens drum gemacht.  Gelegentlich scheint eine Party der Sinn und Zweck der gesamten Übung zu sein. Lustig ist das allemale, aber nicht ungefährlich. Praktischerweise hat Aldi eine Filiale mit einer Anlegestelle in Potsdam. Dort können sich die Flöße gut und diskret versorgen.

2 x 2  Flöße nebeneinander. Ausgelassene Party
2 x 2 Flöße nebeneinander. Ausgelassene Party
Zwei Flöße nebeneinander.
Ansicht von hinten, um zu zeigen, dass es zwei Reihen sind.

Nicht selten fahren und ankern die Flöße im Verbund. Auf dem Bild sieht man vier Flöße an einer Anlegestelle im Stölpchensee.  Sie liegen ordentlich in zwei parallelen Reihen à zwei Flöße nebeneinander. Darauf befindet sich eine ausgelassene Ansammlung von Leuten, die sich einen vergnügten  Tag machen.  Man geht baden, unterhält sich und trinkt u.a. natürlich Alkohol.

Seltsamerweise werden die Flöße auch beim Fahren gerne zusammengebunden, wenn eine Gruppe mehrere gechartert hat. Dann sind das relativ breite Fahrzeuge, die nicht von einer zentralen Steueranlage aus geführt werden, sondern  durch eine mehr oder weniger improvisierte Koordinierung der Aktionen  der auf jedem Floß befindlichen  Floßführer.

In so einer Stimmung und Konstellation werden Fahrgebote, die eindeutig und unmissverständlich auf Tafeln zu lesen sind, schon mal flexibel betrachtet und dann befindet sich zur falschen Zeit ein fragwürdig gelenktes Doppelfloß in einem schmalen Kanal, auf dem ihm jederzeit ein in der Mitte fahrendes Fahrgastschiff entgegenkommen kann, was heikel wäre.

Am 23. 8. 2011 kamen uns  zwei solcher Flöße im Griebnitzkanal entgegen.

Zwei Flöße auf dem Griebnitzkanal
Zwei Flöße auf dem Griebnitzkanal

Sie waren außerhalb des ihnen bei ihrer Fahrtrichtung zugestandenen Zeitkorridors, nämlich ein paar Minuten zu früh, in den Abschnitt eingefahren. Unser eigenes Boot hatte eine Breite von 2,40 Meter. Da drohte keine Gefahr einer Kollision. Der Vorfall war absolut harmlos. Doch hätte auch ein breites Fahrgastschiff kommen können und dann wäre die Lage ungemütlich geworden.

Flöße und Ausflugsdampfer auf dem Griebnitzkanal
Flöße und Ausflugsdampfer auf dem Griebnitzkanal
Ein bischen eng ...
Ein bischen eng ... Breites Sportboot und Floß 'gegen den Strom'.

So sieht es aus, wenn die Flöße größeren Booten im Griebnitzkanal begegnen. Laut Email-Auskunft seitens des potsdamer Floßverleihs sind die Flöße 2,60 Meter breit. Somit hätten sie dem Ausflugsdampfer zu dem Zeitpunkt nicht entgegenkommen dürfen.  Wir fuhren hinter dem Fahrgastschiff und sahen, dass die Flöße eine verhältnismäßig flotte Geschwindigkeit drauf hatten. Sie waren nicht am Trödeln und augenscheinlich unter Mißachtung der für sie geltenden richtungsgebundenen Zeiteinteilung unterwegs.

Kleiner Knirps auf Bierkiste am Steuerrad
Kleiner Knirps auf Bierkiste am Steuerrad

Auf dem Bild ist ein kleiner Junge am Steuerrad eines Mietfloßes zu sehen. Er steht auf einer hochkant gestellten Bierkiste. 16 Jahre, das Mindestalter eines Rudergängers, zählt der Knirps noch lange nicht. Eine Schwimmweste, die bei dem fragwürdigen Unterbau empfehlenswert wäre, trägt er nicht. Das Bild wurde auf der Havel in Potsdam aufgenommen. Hier fahren viele Boote, darunter große Wassertaxis und Ausflugsdampfer. Das würden sich die Inhaber von Sportbootführerscheinen in aller Öffentlichkeit auf vielbefahrenen Gewässern kaum erlauben. Was will der Skipper machen, wenn plötzlich Gefahr im Verzug ist? Den Jungen von der Bierkiste schubsen, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen? Das geht nicht! Der Skipper, vermutlich der Vater des Jungen, hat Vertrauen  zu der Lage.  Wahrscheinlich  hat er keine Ahnung, dass hier ein grober  Regelverstoß stattfindet.

Für die Inhaber von mühsam erworbenen Sportbootführerscheinen ist es schwer nachvollziehbar, warum diejenigen auf führerscheinfreien Flößen sich so verhalten dürfen. Offenbar scheinen die Regeln, an die andere sich zu halten haben, für sie nicht zu gelten. Wir konnten bislang nicht beobachten, dass die Wasserschutzpolizei in dieser Hinsicht aktiv geworden wäre.

Nicht zuletzt deswegen ist eine Reform, bzw. eine Vereinfachung des Erwerbs eines Sportbootführerscheins wünschenswert. Das auswendig Lernen von 467 Antworten auf die gleiche Anzahl Fragen oder 593, wenn der Segelschein mit gemacht wird, sowie die stressige Prüfung nach viel zu wenig Praxis nebst dem Berappen der entsprechenden Gebühren, erscheint wie eine ungerechte Belastung angesichts der Tatsache, dass die Charterbetriebe ihre motorisierten schwimmenden Fahrzeuge in nicht unbeträchtlichen Größen an Leute ohne entsprechende Befähigungszeugnisse vermieten dürfen, die damit mehr oder weniger unbedacht und gegen Regeln verstoßend in der Gegend umherschippern.

Wir brauchen ein Zwischending aus dem viel zu aufwendigen und theoretisch überbefrachteten Sportbootführerschein und der kurzen oberflächlichen Einführung in die Materie seitens der Bootsverleiher. Alle Führer von motorisierten Booten ab 5 PS sollten ein dazugehöriges Basiswissen erwerben und nachweisen. Die Zweigleisigkeit in Form von lächerlichen Charterbooteinweisungen und dem viel zu komplizierten Sportbootführerscheinerwerb muss einer einheitlichen  Regelung, die vom Aufwand her in der Mitte liegt und bedeutend praxisbezogener ist, weichen. Es wäre zudem wünschenswert, wenn die Wasserschutzpolizei freundlich, bestimmt und weitestgehend gebührenfrei auf Regelverstöße hinweist, um einer konstruktiven Rolle als Moderator auf dem Wasser gerecht zu werden.

Außerdem muss die Regelung, dass in Berlin ein Sportbootführerschein binnen für Boote mit Motorleistungen bis 5 PS  verlangt wird, gekippt werden. Das Berliner Revier ist eng mit dem Brandenburger verbunden. Die Landesgrenzen verlaufen durch die Gewässer und es mutet seltsam an, wenn auf der einen Uferseite etwas erlaubt ist, was auf der anderen verboten ist.

6 Gedanken zu „Gefährliche Floßfahrt auf dem Griebnitzkanal

  1. Das kann ins Auge gehen. Der Kanalabschnitt ist nicht ohne Grund mit der Regelung versehen worden. Wir habe davor häufig ein paar Minuten gewartet bis wir dran waren. Ist ja nicht schlimm. Das Doppelfloß mit zwei Schiffsführern könnte beim um die Ecke Auftauchen eines Ausflugsdampfer für einige Aufregung sorgen. Viel Ausweichspielraum gibt es dort nicht.

  2. Die Berufsschiffe, die dort lang fahren, sind entweder von der Wasserschutzpolizei oder Fahrgastschiffe mit Leuten, die sich auf dem Wasser vergnügen wollen. Das möchten die Floßfahrer auch. Ein dickes Binnenschiff fährt dort nicht.
    Da auf fast allen der sich dort tummmelnden Boote Leute zu ihrem Vergnügen unterwegs sind und keiner wirklich an der Ausübung einer wichtigen eiligen Tätigkeit gehindert wird, muss man über so einen Lapus hinwegsehen können. Dort dürfen die Schiffe maximal 5 km/h fahren. Bei der Geschwindigkeit muss man es auch schnell aufstoppen können. Da sollte der kleine Floßverband keine Gefahr darstellen. Nichts desto trotz hat man sich an solche Fahrgebote zu halten, da sie einen sinnreichen Hintergrund haben, es ist aber auch keine Katastrophe, wenn das mal nicht geschieht.

  3. Hi, ich habe meinen Sportbootführerschein bisher aus zeitlichen Gründen nicht gemacht. Beruf, Familie etc. Die Fragen habe ich mir mal angeschaut. Sie kamen mir schlimmer vor als die zum Erwerb des KFZ-Führerscheins.

  4. Die dürfen ohne SBF ein motorisiertes 3 x 7,25 Floß auf den dicht befahrenen Wasserstraßen bei Berlin und Potsdam bewegen!!! Das kann doch in Berlin gar nicht erlaubt sein, oder?

    lg

    Suse

  5. Richtig ist die Lage nicht. Die Wassersportindustrie sieht zu, dass sie möglicht viele Kunden bekommt. Da werden reichtlich Ausnahmen erwirkt, die zugleich deutlich machen, dass der Sportbootführerschein in seiner jetzigen Form nicht mehr vernünftig ist.
    Auf den Straßen gibt es aus gutem Grund keine Charterscheine für Autos, die führerscheinlos ins dickste Verkehrsgewühl fahren, es wäre nämlich zu gefährlich.

    Im Prinzip wird den ‘dummen’ Inhabern der Sportbootführerscheine vorgeführt, dass es auch ohne möglich ist. Wozu hat man ihn dann gemacht? Es ist diskriminierend, wenn man einen SBF für das eigene Boot benötigt aber nicht für ein gechartertes.

  6. Mir fällt das unvernünftige Verhalten der Floßfahrer gelegentlich auch auf. Die treiben zusammengebunden in der Fahrrinne und wundern sich wenn der nächste Ausflugsdammpfer laut hupend auf sie zu fährt.

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