Ein Freund rief an. Ob ich mit nach Polen wollte, an die Ostseeküste bei Swinemünde. Keine 100 Kilometer von meinem Wohnort entfernt, hatte mich das Nachbarland noch nie gereizt. Dumme Sprüche wie, “Kaum in Polen, schon gestohlen”, hatten ihre Wirkung gezeigt. Die Erinnerungen an Scharen von schlecht gekleideten Polen, die 1990 in Reisebussen ankamen, die in der Straße des 17. Juni parkten, wurden wach. Sie hatten die Aldifilialen gestürmt und auf dem noch unbebauten Areal, das heute als Potsdamer Platz bezeichnet wird, Krimsekt, eingelegte Pilze und Kaviar aus Russland verkauft. Das war lang her. Also gut, warum nicht. So sind wir rüber gefahren. Auf der Insel Wolin (Wollin) hatten wir ein Haus gemietet. Es lag in einem netten Bauerndorf mit einem See, an dessen Ufer drei schöne neue Häuser gebaut waren. Ofenbar hatten drei Parteien ihr Glück im Westen gemacht und das Geld zuhause investiert. Keine schlechte Idee. Die Lage war prima und ansatzweise waren der nahe Aufschwung und die regionale Entwicklung bereits spürbar. Ein alter Mann kam rüber. Er sprach Deutsch und war sichtlich stolz darauf. Er ließ unsere Befürchtungen hinsichtlich etwaiger Ressentiments wegen der Kriegsvergangenheit wie ein Kartenhaus zusammen fallen. In den Folgetagen sollten andere Begegnungen dieses bestätigen. Deutsche Urlauber waren wilkommen.
Bei der Ankunft zeigte sich die Stadt Wollin trist und langweilig. Verkommen wirkende, mehrstöckige Häuser mit stallartig wirkenden Balkons und abblätternder Farbe wirkten wenig einladend. Am Wasser saßen zahlreiche Angler, die den Eindruck einer weit verbreiteten Arbeitslosigkeit vermittelten. Ein Besuch des kleinen Schlachterladens ließ zunächst vermuten, dass man den Zweck des Geschäftes falsch verstanden hatte. Vor dem rustikalen Hintergrund aus polnischen Würsten, die an der Decke und Stangen an der Wand hingen, standen drei bildhübsche, sympatisch lächelnde Frauen. Das Erlebnis wiederholte sich beim benachbarten Bäcker. Später entdeckten wir, dass selbst die Geschäfte in abgelegenen Dörfern, vor denen arbeitslose, Zigaretten schnorrende Männer herumlungerten, von ebenso adretten Frauen geführt wurden.
Unweit von unserer Unterkunft befand sich Misdroy, ein polnisches Seebad an der Ostsee. Es lag zu nahe an der Insel Usedom, um nicht unter dem Einfluss der von dort aus kommenden deutschen Urlauber einen Wandel zu einem modernen Urlaubsort nach westlichem Standard durchzumachen. Ursprüngliche Elemente, wie die authentischen Fischerboote, könnten bald von der Bildfläche verschwinden oder zu gastronomischen Requisiten verkommen. Am 21.12.2007 wurde die polnische Grenze auf Usedom, die bis dahin nicht im Auto überquert werden konnte, für den KFZ-Verkehr geöffnet. Damit gerieten die nahegelegenen Orte an der polnischen Ostseeküste in den Tagesausflugbereich der Usedomer Touristen.
Die gammelig wirkende Seebrücke war überholungsbedürftig. Aber das galt auch für andere solcher Gebilde an bekannteren Orten. Das machten den erholungssuchenden Spaziergängern, die hier abschalten mochten, wenig aus. In den umliegenden Dörfen auf der Insel Wolin waren rustikale Unterkünfte zu finden und viele Vermieter sprachen Deutsch. Swinemünde (Swinoujscie) lagt nicht weit weg und war bereits sehr gut erschlossen.
Die gammelige Seebrücke wurde mit EU Geldern bezahlt und in den letzten Jahren mit einem Schiffsanleger verlängert.Alles neuester Stand,im Gegenteil die Seebrücke in Zoppot;sie ist aus Holz und bricht bei Sturmflut ein.
Oxly: Danke für den Hinweis. Unser Bericht ist schon ein paar Jahre alt und beschreibt die Situation im Jahre 2005. Es ist prima, dass die Seebrücke instand gesetzt wurde. Kein Wunder, Misdroy ist eine netter Ort nahe an der Deutschen Grenze.
Die Ostseeküste ist wunderbar, aber nicht nur sie, sondern ganz Polen hat eine sehr abwechslungsreiche Natur.