Oxly Boote

Auf dem Havelkanal von Hennigsdorf nach Ketzin

Einmal Ketzin und zurück, Teil   1   2   3   4

12. 6. 2013 © Thomas Gade

Im Mai kommt es zu heftigen Regenfällen im Süden und Osten Deutschlands. In Folge dessen treten diverse Flüsse über ihre Ufer. Für Brandenburg wird das Eintreffen der Hochwasserspitze zum 9. Juni 2013 angekündigt. Die Pegel erreichen lange nicht dagewesene Stände.

In der zweiten Juniwoche bessert sich das Wetter erheblich und nach vielen Wochen mit ungewöhnlich mieser Witterung und kühlen Temperaturen lässt sich die Sonne endlich blicken. Der Wetterbericht traut sich, ein paar warme sonnige Tage anzukündigen; die verschiedenen Dienste sind sich einig. Wir beschließen, einige Tage auf dem Boot von Berlin nach Ketzin zu fahren, um auf der Havel und an Land zu stromern. Schließlich soll die Fahrt über Werder, Caputh und Potsdam zum Tegeler See im nordöstlichen Berlin zurückführen. Das Überschwemmungsgebiet für die Spree, nämlich der Spreewald und ein Schleusensystem tragen dazu bei, die Hauptstadt Berlin und die nahe gelegenen westlichen Gewässer vor Hochwasser zu schützen. Mit einer höheren Fließgeschwindigkeit der trägen Havel ist zu rechnen. In Spandau mündet die vom Hochwasser betroffene Spree in den Fluss und das abfließende Wasser muss durch die Stadt.


Am Sportbootanleger in Schönwalde

Wir fahren vom Tegeler See aus die Havel stromauf bis nach Hennigsdorf und biegen dort in den Havelkanal ein, der bis nach Paretz führt. Vor uns liegen 34 Kilometer Fahrt auf einem unspektakulären Gewässer. Hier ist nichts von den bedrohlichen Wasserständen zu spüren, welche die Medien beschäftigten. Bei der Schleuse in Schönwalde machen wir am Sportbootanleger fest. Ein von achtern aufkommendes Binnenschiff ist vor uns dran. Der freundliche Wärter lässt uns nicht lange warten und schleust unser kleines Motorboot gleich danach ganz alleine zu Tal. Der Übermut beim Einfahren in eine komplett leere Schleusenkammer mit freier Platzwahl lässt das ‘Längseits an die Wand fahren’ ein wenig sportlicher ausfallen als sonst und unsere reichlich ausgehängten Fender bekommen auf diese Weise einmal mit, welche Rolle sie in solchen Fällen zu übernehmen haben. Welchen Gefallen uns der Schleusenswärter getan hat, erfahren wir beim Verlassen der Schleusenkammer. Ein Binnenschiff nähert sich der offenen Schleuse. An anderen Orten hätten wir warten müssen, bis der gewerbliche Entgegenkommer durchgefahren wäre.


Schönwalde. Alleine in der Schleuse.

Danach tuckert unser Boot die restlichen 25 Kilometer auf dem scheinbar still stehenden Fahrwasser. Diverse Brücken überspannen den Kanal. Sie zu Sehenswürdigkeiten zu erklären, wäre übertrieben, aber sie sind willkommene Abwechslungen.


Autobahnbrücke über dem Havelkanal

Bei Brieselang sehen wir auf der Steuerbordseite das große Rigips-Werk, das die bekannten kartonierten Gipsplatten für zahllose Bauvorhaben produziert.


Havelkanal bei Brieselang. Rigips-Werk

HavelPort Berlin – Hafen Wustermark

Bei Wustermark fallen ungenutzte rostige Spundwände auf. Ringsum ist das Gelände großflächig geebnet. Wir haben den Hafen von Wustermark erreicht. Das öde Gebiet hat sicherlich viel Geld verschlungen, motiviert durch falsche Vorstellungen von einem vermeintlichen wirtschaftlichen Aufschwung durch das Schaffen eines Umschlagplatzes. Der Hafen Wustermark ist nach Jahren eines tiefen Dornröschenschlafs seit Mai dieses Jahres an einen neuen Betreiber verpachtet und heißt seitdem HavelPort Berlin. Nicht, dass deswegen ein Binnenschiff zu sehen ist, geschweige denn irgendwelche Aktivitäten im Umkreis von mehreren 100 Metern, die vermuten lassen, dass hier ein aktiver Wirtschaftsstandort sei. Ein paar Angler sind mit ihren Autos bis an die Spundwand gefahren und haben es sich auf Campingstühlen bequem gemacht. Auf dem Wasser schwimmt eine beeindruckende Anzahl Graugänse mit vielen Küken, die zu schnell sind, um gezählt werden zu können.


Gänse mit Küken im ‘Hafen’ von Wustermark

Auf der Website des Hafenbetreibers steht, dass der 390 m lange Kai drei Liegeplätze für Schiffe mit Längen von jeweils bis zu 110 m und 11 m Breite bietet. Solche Angaben lassen vermuten, dass dem Verfasser Kenntnisse über die örtlichen Verhältnisse und der Qualität des Kanals fehlen. Die nutzbare Länge der Schönwalder Schleusenkammer beträgt 82 m. Die Kammer ist 12 m breit. Deswegen werden die langen Schiffe nicht von Norden kommen. Sie können bei Havelberg von der Elbe in die Havel fahren und von dort aus in den Havelkanal bis nach Wustermark. Wie kommen sie zurück? Da dies kaum im Rückwärtsgang geschieht, müssen sie wenden, sofern wir es nicht mit einem Schubverband zu tun haben, bei dem lediglich die Schubeinheit ihre Position wechselt. Ein paar 100 Meter weiter nördlich, beinahe schon in Brieselang gibt es eine Verbreiterung, die gemessen mit einem Lineal auf der Karte von Google-Maps gerade so zuließe, dass ein 110 m langes Schiff von einem erfahrenen Schiffsführer mit Ach und Krach gewendet wird, sofern der benötigte Raum den entsprechenden Tiefgang aufweist. Wer die großen Brachflächen des bisherigen Betreibers, der BEHALA (Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft GmbH) entlang der kanalisierten Havel in Spandau kennt, stellt sich zwangsläufig die Frage, wieso ausgerechnet Wustermark zum Hafen Berlins werden soll. Die Schiffe können direkt in die Stadt hineinfahren.


Die Feuerwehr übt mit dem Nachwuchs

Das Ende des Kanals nähert sich. Er trifft auf die Havel, die nach Westen in Richtung Brandenburg verläuft. Nach Osten zweigt der Sacrow-Paretzer-Kanal ab. Wir drehen nach Steuerbord in Richtung Ketzin, das nicht mehr weit entfernt ist und bekommen die veränderten Strömungsverhältnisse kurz darauf durch ein zeitlich unerwartetes Ereignis mit. Ketzin liegt an der Steuerbordseite. Wir halten Ausschau nach der Seilfähre und der daneben liegenden Gaststätte ‘An der Fähre’, die wir schneller erreichen als erwartet. “Da ist es ja schon!”, bemerke ich. “Wo ist die Fähre?”, fragte die Schiffsführerin? Wir blicken nach backbord. Die alte Seilfähre ‘Charlotte’ befindet sich in Fahrt. Ihr Führer gibt ein warnendes Schallsignal, woraufhin unser Gashebel nach vorne gelegt wird. Schnell vorwärts, aufstoppen geht nicht mehr. Erst jetzt wird uns klar, dass die sonst so träge Havel ordentlich schiebt.


Seilfähre Charlotte auf der Havel bei Ketzin
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