Während einer Bootsfahrt auf der Havel kommt uns ein Binnenschiff entgegen, das eine kräftige Abgaswolke erzeugt. Die Wasserschutzpolizei fährt ungerührt vorbei. Später sehen wir ein Sportboot, das qualmend unterwegs ist. Die blau-weißen Schwaden liegen noch weit hinter dem Boot wie Nebel über dem Kielwasser. Ein für diese Gewässer großes Passagierschiff kommt vorbei, dass achtern konstant einen gehörigen Strom heißer bläuliche Abgase hinter sich lässt. Die beobachteten Abgaswolken lösen bei uns an Bord eine Diskussion aus. Jemand kommt auf die Idee, mit unserem Boot auszuprobieren, ob es auch Qualm produzieren kann. Unser alter Dieselmotor wird üblicherweise mit Drehzahlen zwischen 1200-1800 Umdrehungen pro Minute gefahren. Die obere Grenze ergibt sich, weil eine weitere Erhöhung nur eine unbedeutende Geschwindigkeitserhöhung bringt und der Motor unangenehm laut wird. Für unser Experiment wird der Gashebel weiter als sonst nach vorne geschoben. Ab 2200 Umdrehungen schiebt sich unser Verdränger mit dem Bug schräg nach oben auf seine Welle. Aus dem Auspuff kommen nun stoßweise weißliche Abgase. Laut Handbuch kann der Motor mit 3300 Umdrehungen pro Minute gefahren werden. Für unser Experiment gehen wir bis 2800 Umdrehungen. Unser Boot schiebt sich mit insgesamt acht Knoten schneller durch das Wasser als die bisher angenommene Höchstgeschwindigkeit von knapp 7 Knoten. Der Motor ist viel zu laut, um diese Fahrstufe als angenehm zu erleben. Es gibt einen sichtbaren und deutlich riechbaren Abgasstrom, der nach einer Weile leicht abnimmt. Offenbar hat der Motor bei der hohen Fahrstufe zunächst ein paar Rückstände verbrannt. Von all dem ist bei unserem sonst üblichen Fahren mit 3-5 Knoten wenig zu spüren.

Wie rekapitulieren Ökodebatten in anderen Bereichen. Schnell kommt es zu einem Vergleich mit Kraftfahrzeugen. Abgase, Qualm und Staub verunreinigen unsere Luft, die wir zum Atmen benötigen. Die Politik hat mit verschiedenen Verordnungen hinsichtlich der von den Menschen verursachten Belastungen der Luft reagiert. So werden Autos in Schadstoffgruppen eingeteilt. Es wurden Umweltzonen definiert, in der Fahrzeuge eine entsprechende Plakette benötigen, um dort betrieben zu werden. Es gibt ein paar Ausnahmen, aber ansonsten begeht man eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld und jeweils einem Punkt in Flensburg geahndet wird. Es geht hier um Schadstoffe, die schädlich für Menschen, Tiere und Pflanzen sein können. Das Ökosystemen wird durch Schadstoffe belastet.

Das Erkennen von Schadstoffquellen und die Reaktionen darauf entwickeln sich in einem Konflikt zwischen den Umweltschützern und den Produzenten der Schadstoffe. In dieser Hinsicht stellt die Schifffahrt eine besondere Problematik dar. Die Luft in der Stadt Hamburg wird massiv belastet durch Abgase aus Seeschiffen. Sie blasen Stickoxide und Ruß in die Luft. Dies geschieht teilweise beim Ein-und Auslaufen und den Manövern im Hafen. Größtenteils passiert dies im Zusammenhang mit einer bordeigenen Energieversorgung. Die Schiffe legen nicht einfach an und schalten ihre Maschinen ab, sondern lassen sie laufen, um das Schiff mit Energie zu versorgen. Der Schiffsdiesel ist laut NABU hundertmal schwefelhaltiger als Autodiesel. Die Abgase aus Seeschiffen dringen ungefiltert nach außen. Hamburg steckt diesbezüglich in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite verdient die Stadt mit dem Hafen Geld. Hier werden Güter umgeschlagen und viele Kreuzfahrtschiffe besuchen die Hansestadt. Der Hafen steht in Konkurrenz mit anderen Häfen und Hamburg kann es sich nicht leisten, die eigene Konkurrenzfähigkeit zu schmälern. Dies würde aber geschehen, wenn man den Schiffen zwingend die Auflage macht Landstrom zu nutzen und die Schiffsmaschinen abzuschalten. An dieser Stelle wäre eine EU-Vorschrift, die für alle europäischen Häfen verbindlich gilt, sinnvoll, denn sonst wäre der Alleingang eines Ortes mit einem bedeutenden Seehafen brisant, weil die Reedereien auf andere Häfen ausweichen.

Bei Binnenschiffen sieht die Lage nicht anders aus. Durch die deutsche Hauptstadt Berlin fließen zwei bedeutende Flüsse, die Spree und die Havel, die einerseits für den Güterverkehr und andererseits für den Tourismus mit zahlreichen Ausflugsdampfer stark genutzt werden. Das kann man nicht nur sehen, sondern auch riechen. Manche Ausflugsdampfer und Güter transportierenden Binnenschiffe blasen sichtbar Abgase in die Luft und verbreiten in einem weiten Umfeld einen unangenehmen Abgasgestank. Befindet sich ein Schiff auf der relativ breiten Havel zwischen Spandau und Potsdam, ist das selten von anderen zu spüren, aber wer gemütlich entlang des Berlin-Spandauer-Schifffahrtkanals spaziert und in die Nähe eines Schubverbandes gerät, der Kohle zum Kraftwerk Moabit bringt, wird als Besitzer eines Autos mit einer grünen Schadstoffplakette höchst erstaunt darüber sein, dass ein so kräftig Abgase in die Luft pustendes Fahrzeug mitten in der Stadt unterwegs ist.

Schiffe sind mehrere Jahrzehnte lang nutzbar. Es gibt Ausflugsdampfer, die älter als 100 Jahre sind. Einem Austausch von unzeitgemäßer Technik steht der finanzielle Aufwand entgegen. Hier geht es unter Umständen um richtig viel Geld, das der Eigentümer eines Binnenschiffs nicht erwirtschaften kann. Es gibt Förderprogramme für emissionsärmere Motoren von Binnenschiffen. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS) unterstützt die Anschaffung von emissionsärmeren Binnenschiffsmotoren durch Fördermittel für die Mehrkosten zur Anschaffung eines emissionsärmeren Dieselmotors im Vergleich zu den Anschaffungskosten eines entsprechenden herkömmlichen Dieselmotors. Um in den Genuss dieser Mittel zu kommen, muss praktisch der Vorsatz bestehen, einen Antrieb auszutauschen. Der Antragsteller muss beschlossen haben, dieses zu tun und kann die Mehrkosten für einen umweltfreundlicheren Motor zum Teil über das Förderprogramm finanzieren. Diese Maßnahme greift nicht bei Schiffen, die einen ordentlich funktionierenden Motor haben, der vermutlich noch viele Jahre lang seinen Dienst brav versehen wird. Die ökonomischen Gegebenheiten werden wohl kaum einen Schiffseigner dazu veranlassen, einen teuren Antriebsaustausch vorzunehmen, wenn die alte Maschine noch ordentlich läuft.
Auch bei Sportbooten geht es nicht unbedingt sauber zu. Alte Außenbordmotoren und fest eingebaute Maschinen sind mitunter wahre Dreckschleudern. Wir dachten an unser eigenes Boot, Baujahr 1986, das mit einem bewährten, sparsamen und robusten 15 PS Dieselmotor ausgestattet ist. Es gehört im Rahmen seiner üblichen Nutzung wahrlich nicht zu den Dreckschleudern. Aber zum Spaß kann man sich mal damit beschäftigen. Wie teuer wäre es, dieses Boot mit einem ökologisch höherwertigen, abgasärmeren Motor auszustatten? Jemand holte sein Tablet raus und begann zu recherchieren. Auf die Schnelle kamen wir zu dem Schluss, dass ein Umrüsten dieses 6,5 m langen Bootes auf modernste Antriebstechnik mindestens 10.000 € kosten würde. Für diese Summe könnte man das komplette Boot mit Trailer im ähnlichen Alter und Zustand nebst Ausrüstung erwerben. Für uns war die Konsequenz klar, wir fahren unser Boot zukünftig wie bisher langsam und gemütlich. Das macht weniger Lärm und erzeugt erheblich weniger Abgase. Berufsschiffe können sich solche Nutzungsphilosophien nicht erlauben. In ihrem Geschäft herrschen terminliche Zwänge, die nur mit kräftigem Gasgeben zu begegnen sind.