Wann fährt die Fähre nach Valentinswerder?

Zwischen Spandau und Reinickendorf zweigt der Tegeler See von der Havel ab, die durch Berlin fließt. Hier befinden sich mehrere Inseln, die keine festen Verbindungen zu den See- oder Havelufern haben. Ihre Nutzungen unterscheiden sich beträchtlich. So gibt es eine Insel mit einem Internat und zwei weitere mit kleinen Laubengrundstücken. Ferner Valentinswerder, deren westliches Ufer an die Havel grenzt. Auf der Insel gibt es einen Campingplatz, Lauben und villenartige Häuser. 26 Menschen haben ihren festen Wohnsitz auf Valentinswerder. Der größte Teil der Insel befindet sich seit 1874 im Besitz einer Familie. Paul Haberkern, ein erfolgreicher Bauunternehmer der Gründerzeit, erwarb sie einst und baute darauf eine Villenkolonie. Gesellschaftliche Veränderungen und Erbfolgen blieben nicht ohne Einfluss auf die Insel. Im Zweiten Weltkrieg kam es durch Bomben zu Schäden an den Gebäuden. In der Nachkriegszeit wurden diverse Villengrundstücke für Wochenendlauben parzelliert. Zeitweilig verwaltete die Dresdner Bank die Insel. 1996 übernahm Werner Haberkern, der Urenkel des ersten Eigentümers, die Kontrolle. Er ließ einen Rundweg um die Insel anlegen und stellte die ursprünglichen Alleen sowie das Rondell in der Mitte der Insel wieder her.

In einem sind sich die Inseln gleich. Ihre Verbindung zum Land wird mit schwimmenden Fahrzeugen gewährleistet. Die Internatsinsel Scharfenberg hat eine kleine Personenfähre namens Ente und eine Autofähre. Reiswerder und Maienwerder unterhalten jeweils einen eigenen Fährdienst mit floßähnlichen Booten.

Autofähre und Fährkahn 'Ente' von Schwanenwerder
Autofähre und Fährkahn ‘Ente’ von Schwanenwerder
'Speedy' zwischen Maienwerder und Saatwinkel
‘Speedy’ zwischen Maienwerder und Saatwinkel

Die Insel Valentinswerder wurde seit den 1960er Jahren vom Fährunternehmen Buchardi bedient. Die Personenfähre Odin IV pendelte im einstündigen Rhythmus zwischen den Stegen in Tegelort, Hakenfelde, Saatwinkel, Valentinswerder und Maienwerder. Die Fahrtkosten betrugen zuletzt 1 € pro Person.

Odin IV vor Valentinswerder
Odin IV vor Valentinswerder

Viele Insulaner haben eigene Boote, meist Angelkähne mit einem Außenborder. Mit Mobiltelefonen rufen diejenigen, die auf eine Insel möchten, Bekannte an, um sich abholen zu lassen. Diese Passagiere entgingen dem Fährdienst. Zudem stiegen die Kosten für den Betrieb der Odin IV. Dem hätte man mit einer Anhebung des Preises entgegentreten können, doch bedurfte es dazu einer Genehmigung, die nicht erteilt wurde. Der Betrieb der Fähre führte zu wirtschaftlichen Verlusten. Subventionen gab es nicht. 2011 und 2012 ermöglichten Zuschüsse aus privater Hand den Fährdienst an den Wochenenden. Mittlerweile hat das Unternehmen Buchardi seine Fährkonzession für diese Strecken zurückgegeben. Es sah nicht ein, dass es ein defizitäres Geschäft weiter betreiben sollte.

Beförderung im Angelkahn
Beförderung im Angelkahn

Private Boote konnten die Fähre nicht ersetzen. Einem Senior mit Rollator war die Fahrt im Angelkahn nicht zumutbar. In diesem Jahr ist ein kleines Boot auf halbem Weg untergegangen. Darin saß eine Hochschwangere. Glücklicherweise kam niemand zu Schaden.

Werner Haberkern bemühte sich sehr um eine Lösung. So erwarb er vom Unternehmen Buchardi, die Odin I, eine Personenfähre, die von ihren Abmessungen her als Sportboot angemeldet werden konnte. Die gute Absicht hatte fatale Folgen. Zu Ostern wurde die Odin I eingesetzt, aber von zwei Booten der Wasserschutzpolizei gestoppt. An der Aktion sollen 12 Beamte beteiligt gewesen sein. Eine amtliche Stelle hatte die inseleigene Lösung verhindert.

Das Ausmaß des behördlichen Hindernisparcours ist immens. Es gibt diverse Akteure, die an der Gestaltung und Genehmigung der beabsichtigten Nutzung beteiligt sind. Dazu gehört das Wasser-und Schifffahrtsamt, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, die Bezirksämter in Spandau und Reinickendorf. Innerhalb dieser Behörden gibt es geteilte Zuständigkeiten für die Prüfung von schwimmenden Fahrzeugen, Stegen, der Verpachtung von Nutzungs- und Fährrechten, der Beachtung von Umwelt- und Landschaftsschutzaspekten und mehr.

Definitionen und Begrifflichkeiten ändern sich beim Wechsel des Dienstleisters. Was jahrzehntelang Fähre genannt wurde, darf heute keine mehr sein. Eine Fähre bewegt sich von Ufer zu Ufer, heißt es. Demnach fährt die Fähre hin und zurück. Wenn ein Schiff mehr als zwei Stege anläuft, ist es keine Fähre, sondern ein Fahrgastschiff. Dann gelten andere Voraussetzungen für die Ausrüstung, Ausstattung, personelle Besetzung und Befähigungsnachweise als für den reinen Fährbetrieb. Zudem habe sich die Genehmigungsvorschriften für Stege verändert. All dies hat beim langjährig bestehenden Fährbetrieb nur eine geringe Bedeutung, aber bei einem Wechsel des Betreibers und der Verantwortlichkeiten für den Dienst, das Boot und die Stege, wird unter Berücksichtigung der aktuell geltenden Vorschriften genau hingeschaut und manches zunächst abgelehnt, was mit gutem Willen und angemessenen Ausnahmegenehmigungen möglich wäre.

Odin I auf der Havel vor Valentinswerder
Odin I auf der Havel vor Valentinswerder

Die Geschichte der Insel ist nicht ohne Auseinandersetzungen zwischen den Eigentümern, Bewohnern und Behörden verlaufen. Es gab gegensätzliche Positionen, die von den Kontrahenten teilweise mit vermutlich großem Einfluss auf behördliche Stellen vertreten wurden. Die alten Streitigkeiten könnten derzeit hintergründig eine Ursache der Behinderung des neuen Fährdienstes sein.

Wann wird es eine neue nachhaltige Verbindung von Valentinswerder mit den angrenzenden Ufern geben? Die Beteiligten in den Ämtern wirken unterschiedlich motiviert. Die einen möchten das Projekt schnellstens auf die Bahn bringen, andere bremsen mit Detailfragen und streng formalen Prozessen. Seit Monaten liegt die Odin I untätig neben der Odin IV bei der regelmäßig über die Havel pendelnden Autofähre von Buchardi. Für die Ortansässigen um diesen Havelabschnitt und seine Besucher ist der Wegfall der Odin IV ein herber Verlust einer als sicher angenommenen Mobilität. Der Tegeler See und seine Inseln gehören zum Berliner Naherholungsgebiet. Die Fähre hatte Lücken im Fahrradwegenetz geschlossen. Die Hinnahme des Wegfalls der wichtigen Fährverbindung zwischen den Ufern Spandaus, Tegelorts, Saatwinkels und der Insel Valentinswerder seitens der Stadtverwaltung ist nicht nachvollziehbar.

Arbeitslos: Odin I neben der Odin IV
Arbeitslos: Odin I neben der Odin IV

Zum Gedenken daran, dass in der Hauptstadt Berlin so manches gut gemeinte Vorhaben erst spät, wenn überhaupt, zu Stande kommt, sind auf Valentinswerder die Flugzeuge des Flughafens Tegel zu hören, die sich ganz nahe in ca. 150 m Höhe mit dröhnenden Triebwerken im Landeanflug befinden oder gerade abgehoben haben. Eigentlich sollte er längst geschlossen sein und heute weiß niemand, ob das je geschehen wird.

4 Gedanken zu „Wann fährt die Fähre nach Valentinswerder?

  1. Wir haben uns bei der letzten Radtour gewundert. Die Fähre fuhr nicht mehr und wir standen mit den Rädern am Anlegesteg in Tegelort. Das kann eigentlich nicht wahr sein!

    lg Marlies

  2. Super, eine Seite gefunden zu haben, wo so ausführlich darüber berichtet wird. Sehr traurig, dass die kleine Fähre nicht mehr fährt. Als Neu-Spandauer war sie eine echte Entdeckung für uns: Für einen Euro eine kleine Inselrundfahrt, nah am Wasser sitzend… haben all unseren Bekannten davon erzählt und wollten den Ausflug gerne gemeinsam wiederholen. Hoffentlich findet sich noch eine Lösung! Wie kommt man denn jetzt bitte als Fußgänger von Hakenfelde nach Saatwinkel? Man kann doch nicht davon ausgehen, dass jeder Spandauer ein Boot besitzt! Woanders fahren die Fähren im Auftrag der BVG – also man muss sich da schon wundern, z.B die kleine Ruderfähre in Rahnsdorf.

  3. Die Fähre ist seit April 2014 wieder in Betrieb, kostet jetzt aber 3 EUR für die Hin- & Rückfahrt zusammen.

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