Oxly Boote

Kauf eines Motorbootes

2011 © Thomas Gade

Ich hatte noch nie ein Motorboot besessen, geschweige denn gekauft. Die Idee dazu entstand auf Fahrradtouren entlang eines Berliner Kanals und am Tegeler See beim Betrachten der Sportboote. Es sollte ein kleines gebrauchtes Motorboot für rund 4000 € sein. Einige Angelvereine entlang des Fahrradweges boten günstige Liegeplätze an.

Kaum sprach sich der Vorsatz herum, meldeten sich mehrere Bekannte, von denen ich vorher nicht wußte, dass sie Boote hatten. Einige rieten zum Außenborder. Die neuen Viertakter seien sparsam und ruhig. 40 PS Leistung sollte er bei einem sechs Meter langem Boot schon haben. Außerdem müßte ein straßentauglicher Trailer dabei sein, der gesondert erworben, nochmal kräftig zu Buche schlagen würde. Der Rumpf sollte auf Osmose geprüft werden. Nun ja, die weiteren Tipps zähle ich hier nicht auf. Sie waren widersprüchlich und stammtischartig von den Stimmungen der Gesprächspartner abhängig und würden ein ganzes Buch füllen. Die Neigung zum Seemannsgarn war auch bei den Binnenskippern erkennbar.

HASLA 21 - Norwegischer Spitzgatt

Bei Lesen der Kleinanzeigen fiel ein norwegisches Boot auf, das in Nähe besichtigt werden konnte. Es sah gut aus. Ein Kajütboot mit der Bezeichung HASLA 21 mit Hafentrailer, diversen Planen und Zubehör stand zum Verkauf. Länge 6,25m und 2,40m Breite, Baujahr 1985, Innenbord-Dieselmotor mit 15 PS und einem Verbrauch von knapp 1,5 Litern bei gemächlicher Marschfahrt. Es war größer und teurer als geplant.


Anzeige im Internet: Kajütboot aus gesundheitlichen Gründen abzugeben

Unrealistische Preisvorstellung

Die Eigner hatten das Boot im Vorjahr erfolglos für 14.000 € angeboten und versuchten nun 10.000 € zu erhalten. Soviel wollten wir für einen Einstieg in die Bootsfahrerei nicht ausgeben, weil gar nicht klar war, ob wir genug Zeit dafür und dauerhaft die Freude daran hatten. Trotzdem wurde ein Termin vereinbart. An der Straße vor dem Bootshaus wartete bereits eine sympatische ältere Dame, die uns zum Boot am Steg führte. Eigentlich sollte es an dem Tag noch am Land sein; so war es verabredet. Gerne hätte ich den Unterwasserbereich besichtigt. Aber es war schon im Wasser.

Erfreulicherweise konnte man das Boot über das Vorschiff betreten und wir konnten uns den Balanceakt über ein schmales Brett zum hinteren Bootsteil ersparen. Durch eine Luke im Vorschiff gingen wir durch die für ein Boot dieser Größe erstaunlich geräumige Kabine in die Plicht, wo uns der Skipper, 84 Jahr alt, erwartete. Das Boot war trotz seines Alters in einem gepflegten Zustand und pfiffig konstruiert. Die Besitzer hatten sich gut darum gekümmert. Meine Begleiterin, weniger an den technischen Dingen und Zustandskontrollen interessiert, ließ sich auf der hübschen weißen Bank nieder und schien sich auf Anhieb wohlzufühlen. Der Mann führte uns das Boot vor. Das fiel ihm nicht leicht. Das Alter und seine angegriffene Gesundheit sprachen eine deutliche Sprache. Hier war jemand dabei, sich von langen schönen Jahren auf dem Wasser zu verabschieden. Das Ehepaar mußte sich von dem Boot trennen.

Wir machten eine Probefahrt. Die Frau und der Mann brachten das Boot routiniert und gekonnt aus dem Hafen. Ohne viel Gerede wurde es mit Bootshaken aus dem schmalen Stand geschoben und befand sich in gleich in einer günstigen Position, um ohne aufwendige Rudermanöver im Vorwärtsgang zwischen den dichtstehenden Booten ins offene Wasser gefahren zu werden. In dem ruhigen Gewässer beim Pohlesee unterhalb des Wannsees lief das Boot sehr ruhig und ließ sich gut steuern. Aus den Unterlagen ging hervor, dass die Rumpfgeschwindigkeit 7 Knoten (ca. 12,5 km/h) betrug. Der Hersteller empfahl Motoren mit einer Leistung von 10 bis 15 PS. Kein flotter Flitzer.



Die Sonne schien. Wir fuhren auf dem 'Kleiner Wannsee' an schönen Wassergrundstücken mit kostbaren Villen vorbei. Meiner Begleiterin gefiel die bequeme Bank im Achterschiff. Der alte Mann sagte mir, dass er wehmütig wurde, weil solche Fahrten für ihn nun vorbei waren. Dann fragte er, ob wir das Boot kaufen wollten und wie wir das Geld bezahlen würden. Ich antwortete, dass ich darüber schlafen müßte und am nächsten Tag noch ein paar Erkundigungen einholen wollte. Diverse Fragen zur Versicherung, Registrierung des Bootes, Liegeplatz und dergleichen waren zu klären. Außerdem fand ich das Boot zu teuer, auch wenn die Eigner bereits deutlich von ihrer ursprünglichen Vorstellung abgekommen waren.

Offene Fragen

Aber so schnell kam es nicht zu einer Entscheidung. Es gab Zweifel, weil es uns mangels Erfahrung und Kenntnisse nicht möglich war, den Wert und den Zustand des Bootes verläßlich zu beurteilen. Auch beanspruchten Anfragen bei verschiedenen Versicherern Zeit. Die selbstgenehmigten Pausen fielen am Arbeitsplatz allmählich auf. Außerdem war klar, dass das Boot mehr als doppelt soviel wie unser geplantes Limit kosten würde. Währenddessen erwarteten die Eigentümer ungeduldig eine Antwort. Per Email schickte ich ihrer Tochter ein Angebot mit einer moderaten Preissenkung und einen Kaufvertragsentwurf mit einer dreimonatigen Gewähleistungsklausel.

Am darauf folgenden Morgen teilte mir die Eigentümerin mit, dass sie den von mir geschriebenen Kaufvertrag ablehnten. Mein Gegenangebot hatte sie verstimmt und im Hintergrund brummelte ihr Ehemann leicht empört: "Wenn der sich so anstellt …" Vor allem die Gewährleistungsklausel für den Motor und die Ruderanlage hatte die beiden abgeschreckt. Sie hatten sich deswegen mit dem anderen Käufer verabredet. Das wurde glaubhaft dargestellt. Als Berufstätiger empfand ich den zeitlichen Druck etwas unfair, aber wie sollten Rentner nachempfinden, was es bedeutete, außerhalb des Urlaubs wochentags eine solche Angelegenheit im Eiltempo über die Bühne zu ziehen?

Es gibt wohl kaum einen älteren Verhandlungstrick als das Vortäuschen eines anderen Interessenten, aber irgendwie nahm ich ihnen die Geschichte ab. Wir einigten uns auf meinen Preisvorschlag, aber unter Ausschluss jeder Gewährleistung. Und ich musste sofort vorbeikommen. Unter den verdutzten Gesichtern meiner Kollegen verließ ich vormittags eilig das Büro, um Geld abzuheben, zum Liegeplatz des Bootes zu fahren und die Anzahlung zu leisten.

Die Eigner waren guter Dinge als ich ankam und freuten sich, dass der Handel zustande kam. Offenbar hatte ich mit meinem preislichen Gegenangebot nicht falsch gelegen und wir trennten uns im besten Einvernehmen.

Liegeplatzübernahme

Mehrmals hatten die Verkäufer gefragt, ob ich das Boot am jetzigen Liegeplatz lassen würde. Er wurde mir wärmstens empfohlen und ich wunderte mich bereits über das Interesse der Verkäufer für den neuen 'Heimathafen'. Des Rätsels Lösung lag in dem Vertrag mit dem Inhaber des 'Bootshaus Am Pohlesee'. Die 'Mietverträge' für Liegeplätze werden üblicherweise für ein gesamtes Jahr mit Sommer- und Winterliegeplatz inklusive dem Reinsetzen ins Wasser und Rausholen des Boots im Frühjahr und im Spätherbst vereinbart. Die Verträge enthalten Klauseln zur automatischen Verlängerung für ein weiteres Jahr, wenn sie nicht bis zu einem bestimmten Termin gekündigt werden. Daneben gibt es Saisonplätze für diejenigen, die eine eigene Winterunterbringung für ihr Boot organisieren können.

Die Bootsverkäufer hatten versäumt, fristgerecht zu kündigen und hofften auf eine bequeme Lösung durch die übernahme ihres Vertrags. Angesichts einer für mich deutlich näher gelegenen Alternative beim Tegeler See, den ich über den schönen Berlin-Kopenhagener-Fahrradweg auto- und stressfrei erreichen konnte, entsprach das nicht den ursprünglichen Plänen. Allerdings war der Liegeplatz sehr schön gelegen und lag in einem sehr attraktiven Bereich zwischen Wannsee und Potsdam.

Versicherung

Nach der Anzahlung begann eine geschäftige Herumtelefoniererei mit den Versicherern. Gegen 17.30 waren die Haftpflicht- und Kaskoversicherungsanträge gestellt und die Bestätigungen für den folgenden Tag angekündigt. Das Boot konnte übernommen werden.

Tipps zur Bootsbesichtigung

Was hätte man beim Besichtigen besser machen können?

1. Boote mit Dieselantrieb können verunreinigte Tanks haben, in denen nicht nur Treibstoff, sondern auch Wasser und Bioschlamm vorhanden sind. Der Bioschlamm entsteht durch Mikroorganismen, die im Diesel leben. Daraus kann die sogenannte Dieselpest enstehen. Dabei ist so viel Bioschlamm vorhanden, dass er durch die Treibstoffleitungen zum Motor geführt wird. Auf dem Weg dorthin verstopft er die Filter und irgendwann führt dies zum Motorausfall. Wurde ein sparsames Boot wenig gefahren, ist die Gefahr groß, dass der Diesel Probleme verursacht. Geben alte Menschen ihre Boote aus Altersgründen ab, kann man davon ausgehen, dass sie ev. einige Jahre kaum bewegt wurden. Man sollte prüfen, ob man an den Tank herankommt und einen Verschluss abschrauben kann, um hineinzusehen. Bei einigen Booten geht das gut und bei anderen gar nicht. Eine Taschenlampe sollte man dabei haben, denn im Tank ist es dunkel. Dieselpest tritt seit der Beimischung von Biodiesel viel häufiger auf als früher.

2. Besichtigung des Unterwasserbereiches. Falls irgendwie möglich, besichtigt man Boote zuerst an Land. Die meisten stehen 5 Monate jährlich im Winterlager. Meistens tragen die Eigner vor dem Zuwasserlassen frisches Antifouling gegen Muschel- und Algenbewuchs im Unterwasserbereich auf, der dadurch schön aussieht. Am besten untersucht man den Bereich vor dem Anstrich.