Sie können mein Boot haben!

Anfang April am Tegeler See. Viele Boote liegen nach der Winterpause wieder im Wasser. Mit Frost rechnet keiner mehr. Auf einem Hof bei einer Gaststätte im Saatwinkel stehen noch einige Yachten auf Böcken und Trailern. Dazwischen läuft ein Herr im Blaumann herum. Ich rufe ihm zu:
“Entschuldigung, ich suche ein Motorboot. Am besten ein Kajütboot mit Außenborder, so um die 6 Meter. Kennen Sie jemanden, der eines verkaufen möchte?”
Er mustert mich. “Nein, ich kenne keinen, aber Sie können meins haben.”
“Was haben Sie denn für eins?”
“Kommen Sie mal mit!”
Er geht voran, verläßt den Hof, latscht über die Straße und betritt das Gelände eines Wassersportvereins für Ruderer, Kanufahrer und Wasserpolospieler am Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal. Auf dem Vereinsgelände steht ein Mann andächtig am Grill. Die Würste und Fleischlappen sehen appetitlich aus. Am länglichen Biergartentisch hockt ein Gruppe Frauen und bestückt Schaschlickspieße mit Paprika, Zwiebeln, Speck und Fleisch. Lecker! Hinter mir murmelt meine Begleiterin, “Da würde ich mich gerne zu setzen.” Ich ahne, dass sie dem geselligen Vereinsleben zugetan ist.
Hinter dem Vereinshaus steht ein aufgebocktes Boot. Der Anstrich an der Wasserlinie wird erneuert. Das Boot ist ein ca. 8 Meter langer Daycruiser mit fettem innenliegendem Motor und Z-Antrieb. Eine Leiter wird angeschleppt, ich steige hinauf und inspiziere den Rumpf. Der Boden der offenen Plicht ist schön mit Mahagonileisten belegt. Die Kabine ist erstaunlich geräumig und hoch. Auf dem Deck kann man nicht von vorne nach hinten laufen. Es gibt seitlich keine durchgehenden Gänge. Man muss durch das  Boot.
“55km/h schafft der. Pro Stunde braucht er 5 bis 6 Liter.”, höre ich. Ersteres glaube ich gerne, Letzteres nicht. Das Boot wiegt drei Tonnen.
Es soll 18.000 € kosten. Obwohl dieses Boot zu groß und teuer ist, tauschen wir Telefonnummern. Interessehalber frage ich: “Warum wollen Sie Ihr Boot verkaufen?”
Er:  “Ich habe soviel im Wassersportverein zu tun, da komme ich nicht mehr aufs Wasser.”
Ich musste lachen. Aber der Grill, die Schaschlickspieße und sein Blaumann ließen vermuten, dass es stimmte.

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