Oxly Boote

In den Wanten der Gorch Fock

Thomas Gade © Januar 2011

Schmuck sieht sie aus unter Segeln, wie alle Windjammer, die romantische Empfindungen wecken. Doch die Arbeit an Bord eines Segeschiffes ist etwas für ganze Kerle, die den damit verbundenen Belastungen gewachsen sind. Kein Kapitän eines der alten Segelschiffes hätte zugelassen, dass eine zierliche Frau in die Masten geschickt wird, um schwere Segel zu bergen. Vor dem Aufkommen der motorisierten Schiffe, als viele großen Segler die Meere befuhren, gab es Seeleute, die als Schiffsjungen anfingen und entweder in den Beruf hineinwuchsen oder nicht. Wer es tat, musste Muskeln entwickeln, Verletzungen und Schmerzen wegstecken und wurde ein kräftiger Kerl, mit dem man sich besser nicht anlegte. Das waren drahtige, wendige und durchtrainierte Typen mit kräftigen Pranken. Es gab viele davon. Man lese alte Schifffahrerliteratur, um sich ein Bild zu machen. Unterhaltsam und gut geeignet ist das 'Tagebuch' von Graf Luckner. Wer eine bebilderte Ausgabe bekommt, achte auf die Statur, insbesondere die Oberarme der Seeleute.


Segelschulschiff Gorch Fock.   Quelle: Wikipedia / Tvabutzku1234

Warum meint die Bundesmarine, so etwas mit ihren Offiziersanwärtern machen zu müssen? Wenn es darum geht, ihnen Teamgeist beizubringen und sie zeitweilig ein Leben ohne Privatsphäre führen zu lassen, um sie charakterlich zu formen, gibt es andere Wege dieses zu tun. Das Segeln auf einem modernen, hochseetauglichen Segelboot, bei dem das Erklimmen eines Mastes nicht oder nur selten von einzelnen notwendig ist und wenn, dann unter Absicherung, ist eine vollkommen ausreichende Methode zum Vermitteln des mühseligen und koordinierten Hantierens mit den Tampen, des Erlernens und der Anwendung von nautischen und meteorologischen Grundlagen und dem Aufbau von körperlichen Kräften sowie der Verbesserung des Durchhaltevermögens. Zusätzlich gehört Sport zum Dienstplan. Seemannschaftliche und soziale Kompetenzen und körperliche Kräfte sowie eine Verbesserung des Durchhaltevermögens kann man auch anders aufbauen.

Der Name der Gorch Fock geht auf den Finkenwerder Schriftsteller Johann Kinau zurück, der sich so nannte und das bekannte Buch "Seefahrt tut not!" geschrieben hatte. Man sollte das Schiff nicht einmotten. Es ist ein schöner Repräsentant unseres Landes und wird in den fremden Häfen die nötige Aufmerksamkeit erhalten. Als Element der Diplomatie sowie als Wahrer einer fast vergangenen seemännischen Tradition sollte man sie erhalten und weiter um die Welt segeln lassen. Freiwillig auf ihr dienende und geeignete Besatzungsmitglieder wird man ohne weiteres innerhalb der Bundesmarine rekrutieren können aber eine Mutprobe für angehende Offiziere oder ein Beförderungskriterium sollte sie nicht sein. Unter den Marinesoldaten in seemännischen Verwendungsreihen wird es immer genügend geben, die freiwillig auf ihr Dienst tun wollen und nicht nur aus Furcht, keine Offizierslaufbahn antreten zu können, sich die Wanten empor zu zwingen, auch wenn sie dafür die falschen Leute sind. Die meisten Führungspositionen in der Bundesmarine setzen mit Sicherheit nicht voraus, dass man im Segelbetrieb der Gorch Fock hoch im Mast seinen 'Mann' stehen kann.'

YouTube hat eine schöne Doku zum Thema:



Kommentare im ehemaligen Blog

Benno / 24. Januar 2011 at 20:26

Das derzeitige Gerede um die Gorch Fock spricht für den Inhalt des Beitrags. In der Handelsmarine macht doch auch keiner Dienst auf einem Segelschiff, um sein Offizierspatent zu erwerben. Merkwürdig ist jedoch die in den Medien zu lesende Kritik an der Absetzung des ehemaligen Kommandantens der Gorch Fock, die angesichts der zu klärenden Vorfälle eigentlich logisch ist. Warum die Opposition deswegen aus Norbert Schatz zum ‘Bauernopfer’ von KT zu Guttenberg erklärt, kann man nicht verstehen. Es ist doch nicht so schlimm, wenn man in der Lage das Kommando an einen anderen abgibt, bis ein paar Zweifel beseitigt sind. Dagegen kann man sagen, dass nun keine Kadetten mehr an Bord sind und weitere Probleme wie das Fallen einer jungen Frau aus dem Mast auf der Heimreise nicht mehr vorkommen wird. Eines ist klar, Norbert Schatz ist nicht derjenige, der das Curriculum der Offizierslaufbahn geschrieben hat. Er ist nur ein Rädchen im Getriebe der Marine.
Tatsächlich wäre es schade, wenn die schöne Gorch Fock in ihrem Heimathafen an die Kette gelegt oder verscherbelt wird.

H. Ohnesorg / 25. Januar 2011 at 07:50

Den diplomatischen Wert ihrer schmucken Gorch Fock wird die Bundesregierung schon kennen. Aber der Unterhalt des Schiffes ist teuer. Wenn da mal keine kurzsichtige Entscheidung getroffen wird! Soll die Marine doch weiter mit der Gorch Fock die Weltmeere bereisen. Ein sinnvoller Dienst am Land ist es durch die positive Wirkung, die das Schiff in den angelaufenen Ländern auslöst, allemale. Ich stimme dem Artikel und dem Vorkommentar zu; Frauen und gehören nicht in die Takelage und Männer, die das Zeug zum Offizier haben, aber nicht die körperlichen Eigenschaften, um in den Masten umherzusteigen, auch nicht.

Annemarie / 25. Januar 2011 at 10:41

Wer zur Bundeswehr geht, tritt als Soldat/in an. Das ist nicht zu verwechseln mit der preussischen Armee oder dem mittelalterlichen Söldnertum. Heute heißt es nicht mehr ‘unbedingter Gehorsam’ sondern ‘mitdenkender Gehorsam’.

Eine moderne Gesellschaft muss ihr Verhältnis zu ihrer Armee modern definieren. Sie ist ein vielschichtiges System, in dem Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Potenzial arbeiten. Der spezialisierte Hubschrauberpilot muss nicht die selben Fähigkeiten und Voraussetzungen mitbringen wie der Stabs-, Fernmelde- und Verbindungsoffizier, Nautiker oder Kommandant (heißt der so?)von einer Kaserne. Das obligatorische Klettern in die Wanten ist in dem Kontext absurd. Klettern kann man auch in den Bergen mit korrekter Absicherung durch die Kameraden. Das stärkt den Kameradschaftsgeist und baut die Fitness auf. Was hat ein Kadett des Jahres 2011 der deutschen Bundesmarine bei kräftigem Wind an der Rahnock weit über Deck zu suchen? Nichts.


Kalle / 27. Januar 2011 at 09:30

Als sympathiestiftender Botschafter Deutschlands mit einer Handvoll geeigneter Kadetten an Bord soll die Gorch Fock weiter unterwegs sein. Damit erhält man ein Stück weit die alte Windjammertradition und es kann einer technisch voranschreitenden Welt nicht schaden, mal einen Blick zurück zu werfen.
Als verpflichtender Bestandteil zur Ausbildung von modernen Marinesoldaten sehe ich keinen Sinn in dem antiquierten gefährlichen Wantengekraxel, zumal es bereits Todefälle gab, die offenbar auch für die Zukunft mit einkalkuliert werden. Klettern lernen und die Überwindung von Höhenängsten kann man auch anders bewirken.

Sabine / 27. Januar 2011 at 15:42

Es ist schon merkwürdig, welche Wellen diese Affäre erzeugt. Man muss ja nicht zum Bund gehen und schon gar nicht zur Marine.

Horst-Heinrich / 31. Januar 2011 at 08:41

Ale Laie kann man so etwas schlecht beurteilen. Ein guter Architekt oder ein Bauleiter müssen in der Lage sein, auf ein Baugerüst zu klettern. Wenn sie reifer sind und dafür jüngere Mitarbeiter haben, können sie solche Spaziergänge delegieren. Möglicherweise macht es immer noch einen Sinn, dass die Seekadetten in die Wanten klettern müssen. Immerhin haben andere Länder ebenfalls solche Schiffe. Wenn es nur darum geht, Tradition ohne militärischen Wert zu bewahren, ist das eine Angelegenheit für ein Schifffahrstmuseum aber nicht für die Bundesmarine im Rahmen einer Offiziersausbildung. Zumindest dürfte die Weigerung, in die Wanten zu klettern, nicht mit Sanktionen oder Nachteilen verbunden sein.